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Breakfast at Tiffany’s: Warum mir Holly Golightly im Buch viel besser gefallen hat als im Film

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Ich habe euch ja letztens erzählt, dass ich Frühstück bei Tiffanys von Truman Capote gelesen habe – und ich war wirklich begeistert von dem kurzen, aber so lesenswerten Roman. Gestern Abend habe ich es mir gemütlich gemacht und den Film „Breakfast at Tiffany’s“ von 1961 gesehen. Die Hauptrolle übernahm Audrey Hepburn und wurde damit zur Stilikone. Jeder kennt sie in ihrem kleinen Schwarzen, der großen Sonnenbrille und der Zigarettenspitze. Regie führte Blake Edwards, der die Story des Films nur lose auf der des Buches aufbaute. Und das ist der Grund, warum ich so enttäuscht bin von diesem Film.

Dieser Beitrag enthält Spoiler zu Buch und Film!

Holly Golightly im Roman von Truman Capote

Der Autor hat mit dieser Protagonistin eine zwar etwas naive, aber dennoch selbstbewusste und abenteuerlustige junge Frau erschaffen, die ich so nicht erwartet habe. Eine Frau, die mir tatsächlich in der heutigen Film- und Literaturlandschaft fehlt. Holly Golightly ist verblüffend, weil sie so unbeschwert ist, weil sie ihr Leben unabhängig lebt. Natürlich trägt sie ihre Laster mit sich herum, aber alles was sie möchte, ist frei sein. In Capotes Novelle treffen wir eine 19-jährige Holly, die sich nach Liebe sehnt und so viel Liebe zu geben hat, die aber vor allem ihrer eigenen Nase folgt. Sie schockiert und provoziert gerne, sie ist chaotisch und wankelmütig – und sie übt auf den Erzähler („Fred“) sowie auf den Leser eine ungeheure Faszination aus. Marie Rudisill beschreibt Holly als „unattached, unconventional wanderer, dreamer in pursuit of some ideal of happiness“ [1] – eine Träumerin, das ist Holly wirklich und im Buch stellen wir fest, dass Holly wohl auch Jahre später noch immer ihren Träumen folgt und dahin geht, wo sie der Wind hinträgt.

Breakfast at Tiffany’s: Buch-Film-Vergleich

Doch was ist nun so anders am Film und warum ist das so schlimm? Das verrate ich euch. In erster Linie ist es das Ende, das den Film ruiniert. Denn anders als im Buch gibt es in der filmischen Variante ein Happy End. Holly möchte das Land verlassen, aber das kann der männliche Protagonist („Fred“) natürlich nicht zulassen. Er macht ihr eine ordentliche Ansage – Holly bricht in Tränen aus und wirft sich in seine Arme.

Seriously?

Nein. Neinneinnein. What the fuck did this movie do to Holly Golighlty? Natürlich ist nicht nur das Ende problematisch am Film. Der Film arbeitet ja von Beginn an darauf hin. Die romantische Anziehung zwischen den beiden ist von Anfang an spürbar. Auch im Buch ist der namenlose Erzähler, der von Holly stets Fred genannt wird, von seiner Nachbarin fasziniert, vielleicht spürt er auch eine gewisse Liebe für sie, aber sie sind und bleiben Freunde, am Ende sogar bloß noch weit entfernte Bekannte.

Wie endet das Buch denn eigentlich? Capotes Novelle ist ein einziger Rückblick. Der Erzähler geht in die frühere Stammkneipe, in der er und Holly oft zu Gast waren. Der Wirt zeigt ihm ein Bild von einer Holzfigur aus Afrika, die erschreckende Ähnlichkeit mit Holly hat. Beide fragen sich, ob Holly tatsächlich in Afrika war und das Modell für diese Schnitzerei sein könnte. Weder Fred noch der Leser erfährt, wo Holly steckt. Sie hat das Land verlassen und kehrt auch nicht zurück. Nur eines scheint sicher zu sein: Sie lebt ein aufregendes Abenteuer. Und jeder, der die Holly im Buch kennengelernt hat, weiß: Das ist genau das Richtige für sie.

Ein Film ohne Happy End war undenkbar


Die Film-Holly braucht leider mal wieder einen Mann um ihr Glück zu finden. Und das sagt eigentlich alles über den Film. Er kommt nicht ohne ein romantisches Happy End aus und bricht damit mit Hollys Charakter. Warum? Ein Beitrag auf Popmatters könnte erklären, warum:

This change in outcome is forced by the fact that the largest difference from page to screen is the sexual orientation of our storyteller. When the film was produced, it would have been as unfathomable to have a gay lead character as it would have been to end the movie without a happily-ever-after kiss. In both versions he is in love with Holly, yet with the unromantic love in the book, he is able to let her go, which is clearly the more realistic ending of the two.

Der Erzähler im Buch wird nie direkt als homosexuell beschrieben. Viele sehen in ihm Truman Capotes Alter Ego, und der Buchautor selbst war schwul. Gut möglich also, dass auch Erzähler „Fred“ schwul war. Entscheidend finde ich aber, dass seine Sexualität oder seine romantischen Interessen im Buch keine Rolle spielen. Wir erfahren eine lebhafte Freundschaft zwischen Mann und Frau – die im Film in eine heterosexuelle Liebesgeschichte umgewandelt wird. Im Film wird Freds/Pauls Sexualität auch von Beginn an betont, indem der Charakter von Emily Eustace erfunden wurde. Sie dient nur dazu, ihn als heterosexuellen, (irgendwie) vergebenen Mann darzustellen, der – wie man so schön sagt – sexuell aktiv ist. Und natürlich, um Holly eifersüchtig zu machen und zu verwirren.

Im Kontext des Films ergibt das Happy End natürlich absolut Sinn. Aber ich bin mir sicher, wäre Holly Golightly nicht aus einem Buch erwachsen und hätte Audrey Hepburn sie nicht so bezaubernd gespielt – Holly wäre heute keine Ikone des 20.Jahrhunderts.

For me, it is much easier to picture Holly Golightly running around Africa than to picture her sharing a home with a husband and cat. By taking a complex and distinct character and forcefully domesticating her, the film perpetuates the fairy tale ideal that all women need to be rescued, and, as any average, urban, single woman will tell you: that simply isn’t true. [Popmatter]

Muss denn ein Film genauso sein wie das Buch?

Ich fürchte, das ist eine Diskussion, die man ewig führen kann. Mir ist bewusst, dass man ein Buch selten 1:1 auf die Leinwand bringen kann. In diesem Fall finde ich die Änderungen an Hollys Charakter aber verheerend und einfach nicht notwendig. Aber ja, das Kino war wohl damals noch nicht mutig genug, um eine solche Geschichte ohne „Happy End“ zu beschließen (und eine Frau mit einem Mann ist nur mal happier als eine Frau auf Reisen in Afrika).

Mir ist bewusst, dass es mir immer schwerfällt, Buch und Film zu trennen, auch wenn es sich um zwei verschiedene Medien handelt. Viele sehen das lockerer und begrüßen neue Interpretationen im Film. So lange der Grundtenor der Geschichte beibehalten wird, so lange die wichtigen Meilensteine einer Geschichte sichtbar bleiben, gehe ich da auch konform. Aber gravierende Änderungen kann ich oft nur schwer akzeptieren. Es fühlt sich für mich auch dem Autor gegenüber unfair an. Auch Truman Capote war mit dem Ende des Films „Breakfast at Tiffany’s“ nicht zufrieden. Und immerhin das habe ich mit ihm gemeinsam.

Was sagt ihr dazu? Kennt ihr das Buch und den Film zu „Frühstück bei Tiffany“? Wie steht ihr zu Änderungen von Buchvorlagen für filmische Zwecke?


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